Die Anmut des Meeres

Es ist kalt. Der Wind hat ein wenig aufgezogen und lässt eine steife Brise über die karge Bucht wehen während das Meer stöhnt und kleine weiße Locken in die Luft tanzen lässt. Ansonsten bewegt sich nichts. Es ist ruhig, in der Bay und auf dem Boot. Als ob er wüsste, dass er bloß nicht stören solle, beginnt der Motor dumpf und leise vor sich hinzustottern. Langsam gleitet unser grünweißer Bug durch die Wellen hinaus ins tiefe Blau. Die Kapuze sitzt tief im Gesicht, meine Finger sind klamm, die Augen noch etwas müde und dennoch umweht mich neben dem kalten Gegenwind vor allem Glückseligkeit.

VORFREUDE, ÜBERALL VORFREUDE

Vorfreude. Es gibt Dinge im Leben, die lassen sich nicht abstreifen. Vorfreude ist eine davon. Und sie ist so wichtig wie schön. Die Spannung, wenn sich das Schiff immer weiter hinaus aus der Bucht in das weite Meer quält, ihnen alsbald zu begegnen. Es gibt viele Gegenden auf diesem Planeten, wo man mit den wahren Königinnen und Königen der Meere auf Tuchfühlung gehen kann und, egal wo, es ist für mich immer ein ganz besonderes Erlebnis. Es gibt nicht viele Tiere auf der Erde, die so viel Verletzlichkeit und Anmut im gleichen Augenblick ausstrahlen wie Wale. Hier in Neufundland ist es noch einmal spezieller, was an der manchmal unwirklichen Natur Drumherum liegt. Es ist kalt, ich friere und während im Hintergrund geradezu majestätisch ein Eisberg im Schneckentempo vorbeizieht, vollführen unten die Buckelwale ihre Pirouetten.

MAJESTÄTISCH

Sie haben keine Angst vor uns, wie auch. Sie sind länger als wir und größer. Lauter auch, zumindest wenn sie mit ihrer mächtigen Flossen auf die Wasseroberfläche schlagen oder gar ihren monströsen Körper im Sprung aus dem Wasser schälen und mit Getöse wieder in ihr Habitat eintauchen. Selbst dieses Verhalten ist einfach nur schön anzusehen. Manchmal gleiten sie so langsam am Boot vorbei und gucken es dabei ganz genau an. Jeder Atemzug oben eine einzige Musterung. Manchmal aber haben sie keine Lust auf Beobachter und tauchen ab. Dann sieht man endlich auch die mächtige Schwanzflosse. Der Körper hat sich schon gebogen und ist längst verschwunden, dann bohrt sich die Schwanzflosse doch noch durch die Luft und gleitet sanft in die Wellen. Dann ist Ruhe. Kein Luftausblasen mit Wasserfontäne mehr und auch kein Klopfen auf dem Wasser. Nur noch der Wind und die Wellen und das seltsam steife Verharren der Mitgefangenen auf dem Boot, die geduldig darauf warten, dass an anderer Stelle wieder etwas auftaucht.

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1 Kommentar

  1. Imdob

    Ich war noch nie in Grönland oder auf Fogo Island, aber Wale habe ich schon mal gesehen. Aber nie im Kalten. Aber Fogo, das hätte schon was… Schönes Bild, schöne Seite.