Die Hitze ist auch um drei Uhr nachmittags noch ziemlich ungnädig zu ihrer Umwelt und die Sonnenstrahlen malen unablässig tiefe Schatten mit allem, was aus dieser natürlichen Leinwand herausragt und sie in die Finger kriegen. Das reinste Kontrastprogramm hier im Norden Argentiniens. Mittendrin mischen sich munter Farben, für deren einzelne Abstufungen wir längst schon keine Begriffe mehr haben, sondern sie neu im Kopf formen müssen. Zumindest bei mir ist das der Fall. Kein Vogel am Himmel, unten der Asphalt, oben ein tiefes Blau, das sich seine Bahn bricht durch allerlei Gestein, das sich mit allen zur Verfügung stehenden Erdtönen dagegen zu stemmen versucht.
Menschen, Wärme und Malbec
Stille fängt mich ein und ein seltsames, ja fast vergessenes Gefühl der Geborgenheit umhüllt mich. Der Norden Argentiniens ist mir immer noch der liebste Fleck des Landes. Chubut ist karg, Patagonien wild, Feuerland rau und doch wie hingemalt. Buenos Aires ein Fleck für Verrückte, wo man es vortrefflich eine ziemlich lange Zeit aushalten kann, ohne Frage. Alles ist wunderschön, auf seine ganz eigene Weise. Der Norden aber nimmt mich irgendwie immer in den Arm, egal wie schlecht es mir auch gehen mag. Vielleicht ist es die Wärme, vielleicht der gute Malbec, der es von Mendoza aus nicht ganz so weit hat, es mitunter aber beschwerlicher haben dürfte, sieht man sich einige der Pisten in den Provinzen zwischen Santiago del Estero und Jujuy an, auf denen er ordentlich durchgeschüttelt werden dürfte. Vielleicht ist es der hochstehende Himmel, vielleicht aber auch die Menschen.
Je höher man nach Norden kommt, desto indigener werden ihre Gesichter und mit ihnen die Traditionen, die sich hier längst mit den christlichen Einflüssen arrangiert haben. Mal in friedlicher Koexistenz, mal wunderbar vermischt. Bolivien, jenes Land, das für mich immer noch ein Inbegriff der Jungfräulichkeit ist, nicht mehr allzu weit weg. Die Luft in den Bergen ist dünn, mein Herz wärmt sich immer weiter auf, je nördlicher ich komme.
Bizarre Natur
Irgendwann ist Schluss. Anhalten, Motor ausstellen, Loswandern. Die Umarmung ist längst einem sanften Zerren gewichen, das einen hinauszieht. Am Asphalt vorbei hinein in die Natur und seine bizarren Steinformationen, denen man – natürlich – allerlei lustige Namen gegeben hat: El Anfiteatro, la Garganta del Diablo, las Ventanas, el Obelisco – liest man nur diese Beschreibungen, man könnte meinen, man wäre wieder zurück im Höllenschlund Buenos Aires. Doch die könnte gerade weiter nicht weg sein. Der Himmel lacht, die immer länger werdenden Schatten spenden Schutz vor der Sonne, die Garganta ist nicht bedrohlich, sondern zeigt sich von ihrer weichen Seite. Die Gedanken fliegen, der Wind trägt sie einfach fort. Später trägt er auch mich fort. Und kaum bin ich der geologischen Schattenwelt entkommen, da warten auch schon wieder die warmen Arme auf mich.
Mike
Great pic!